Der Tag begann damit, dass ich das Fahrrad lieber gleich im Schuppen stehen ließ und mich zu Fuß auf den Weg zum Hafen machte. Der Wind pustete bereits recht ordentlich, Regen war auch dabei, also Regenhose an, Regenjacke an, Kapuze auf und los gehts!
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auf dem Weg zum Anleger |
Ein schneller Blick auf die App hatte uns verraten, dass die letzte Fähre zurück nach Föhr bereits abgesagt worden war. Doch um 15.15 Uhr sollte es noch eine Rückfahrt geben, und da ich ein nordfriesisch gelassenenes Statement à la "ich bin in 57 Jahren noch nie hängen geblieben, kannst ruhig fahren" hörte, kaufte ich mir schnell ein Ticket und machte mich tatsächlich auf die Reise. Diese sollte schließlich deutlich länger dauern, als geplant. Aber das wusste ich zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht.
Die Fähre hatte bereits deutliche Probleme beim Anlegen, schaffte es aber schließlich doch. An Bord wurden wir mit der Durchsage "Wegen der aktuellen Wetterlage kann es auf der gesamten Überfahrt zu stärkeren Schiffsbewegungen kommen" begrüßt. Kannte ich schon, beunruhigte mich nicht weiter. Als dann schließlich noch jemand von Tisch zu Tisch ging und alle Leute mit der Frage "Seid ihr seefest? Vor Amrum wirds gleich haarig!"
Spannend waren für mich auch die Reaktionen meiner Amrumer Klienten. Diese reichten von "Mutig, dass du überhaupt kommst" bis zu "Im Notfall hab ich ein Zimmer für dich". Ein Zimmer? Zu diesem Zeitpunkt musste ich über das nette Angebot noch lächeln. Wozu?
Wie es sich für einen Sturmtag gehört, beobachtete ich den ganzen Tag hindurch weiterhin die Meldungen der Reederei. Diese hatte jedoch nicht nur auf der Hinfahrt mehrfach deutlich versichert, dass die letzte Abfahrt um 15.15 Uhr stattfinden sollte, sondern es blieb auch auf der Homepage bei dieser Meldung. Bis exakt 15 Uhr. Als ich nach zwar verkürzter, aber getaner Arbeit wieder am Hafen ankam, leuchtete mir auf der Anzeigetafel ein dickes "Fällt aus" entgegen. Wie bitte?
Ein Blick ins Netz bestätigte die unschöne Neuigkeit:
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So ein Mist! |
Auch die sachliche, aber freundliche Dame am Schalter konnte da nicht weiterhelfen: "Der Kapitän hat vor 5 Minuten entschieden, dass er nicht mehr zurückfährt. Das ist höhere Gewalt, tut uns leid. Sie können gerne auf der Fähre übernachten".
Meine Reaktion auf diese Nachricht schwankte zwischen Sprachlosigkeit, Wut und einer gehörigen Portion Abenteuerlust. Wahrscheinlich brauchte ich einen Moment, um zu verstehen, dass ich den stürmischen Abend nicht auf meinem Sofa und die Nacht nicht in meinem Bett verbringen würde. Nun gut. Ändern konnte ich es eh nicht, also muss man das ganze wohl mit Humor nehmen. Wer bekommt schon eine Übernachtung auf dem Schiff für umsonst?
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Warten am Anleger |
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da kommt unser "Hotel" |
Die Gesamtsituation ließ sich nicht ändern. Wohl aber durch den Einkauf von Schokolade, einem spannenden Thriller und einer Zahnbürste verbessern. So ging es dann gegen 17 Uhr an Bord, wo wir versuchten, es uns halbwegs gemütlich zu machen. Die Besatzung war auch eher mittelmäßig auf Schlafgäste vorbereitet, stellte den Gestrandeten (insgesamt ca. 15 Personen) aber immerhin Decken und Kissen zur Verfügung (die wir selbst beziehen mussten). Wer noch schnell etwas essen wollte, konnte dies tun, dann schloss die Restauration für den Tag. Auch das Schiffspersonal wollte sich nicht um seinen Feierabend bringen lassen. Tja, ich wünschte ich hätte diese Wahl gehabt. Zumindest ein Gratisgetränk wäre in dieser Situation drin gewesen, finde ich. Aber die WDR berief sich weiterhin auf "höhere Gewalt", schloss die Türen ab, stellte Motor und damit auch Heizung aus (gut, dass noch kein Winter ist!) und verschwand.
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übernachtungsnotwendige Zutaten |
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die Betten sind bezogen |
So konnte der Abend (und die Nacht) beginnen. Die Stimmung an Bord war zunächst ausgelassen, lustig, sprücheklopfend ("Komm, wir bestellen den Pizzaservice"), später nur noch müde und still. Ein Blick nach draußen offenbarte, dass die Brücke wegen des Hochwassers hochgezogen und damit der Kontakt zur Insel abgeschnitten worden war.
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Hochwasser am Anleger von Wittdün |
Mein Fazit? Ich habe mehr geschlafen als erwartet. Es war weniger Abenteuer als gedacht. Und nun habe ich es hinter mir, mein erstes Mal "hängen bleiben mit der Fähre". Irgendwann musste es ja passieren. Und ja, auch der Herr, der in 57 Jahren noch nie hängen geblieben war, verbrachte die Nacht an Bord.
Irgendwann morgens gegen 04.30 Uhr legte das Schiff ab und fuhr - nein, nicht nach Föhr. Zunächst ans Festland, wo wir gegen 06 Uhr die ersten LKWs aufsammelten, um dann gegen 07.15 Uhr endlich auf Föhr anzulegen. Um halb 8 war ich nach fast 24h endlich wieder zu Hause.
Die wahre Kunst ist jedenfalls nicht, eine Nacht auf der Fähre zu verbringen - sondern den nächsten Arbeitstag durchzuziehen! 😉